In regelmäßigen Abständen - circa alle 3 Monate - heult die weidwunde Musikindustrie ob erneut eingebrochener Verkaufs- und Umsatzzahlen auf. Der Schuldige ist jedesmal der selbe: der Filesharer/ Raubkopierer. Ob nun ein ganzer Branchenverband wie der Deutsche Phonoverband, einzelne Musikverlage oder ein Researcher mit Zahlen an die Öffentlichkeit gehen, stets ist das gleiche yada yada yada zu vernehmen.
"Raubkopien" sind kein Phänomen des Internetzeitalters. Ich bin alt genug, um noch Mixtapes zu kennen. Die Musikkassette war vor der mp3-Datei das Teufelszeug der Stunde. Statt mit neuen Konzepten auf den sich verändernden Markt zu reagieren, die den Kunden als solchen halten, ist seit jeher kaum mehr als Barmen und Drohen zu hören. Mit "öffentlichkeitswirksamen" Kampagnen und Prozessen soll dem Rauben und Brennen Einhalt geboten werden - verbranntes Geld, wie den Quartals- und Jahresberichten immer wieder zu entnehmen ist. Die Kampagnen sind lächerlich, die Ergebnisse noch lächerlicher, das Gebahren geradezu erbärmlich. Die "Zielgruppe" wird kaum erreicht.
Wann wird sich die Musikindustrie endlich von der Vorstellung verabschieden, daß sich der Konsument an ihr Geschäftsmodell anpassen muß? Wo bleibt Innovationskraft und Beweglichkeit - zwei Voraussetzungen für erfolgreiches Agieren am Markt? Wo bleibt die Erkenntnis, daß Kundenwünsche nicht übergangen werden können, daß das Angebot nicht der Nachfrage diktieren kann? Mit anderen Worten: Wann kriegt die MI endlich ihren Scheiß gebacken?
Es ist ja nicht so, daß der Musikliebhaber heute nicht mehr bereit ist, für das Kulturgut Musik zu bezahlen. Er ist nur nicht mehr bereit, sich auf die Arroganz der MI einzulassen. Kann sich noch jemand daran erinnern, daß um 2000 herum Preise für eine CD von damals 40 DM und höher in Erwägung gezogen wurden? Da ist jemand böse auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen!
Mit dem Einzug digitaler Vertriebsplattformen wie der Church of iTunes oder Musicload hat der Kunde die Möglichkeit, die vermeintliche Spreu vom Weizen, sprich die Qualität vom Füllsel zu selektieren. Das Modell "4 Hits plus 8 mehr oder weniger ambitionierte Füller" auf CD (= Album) funktioniert so nicht mehr. Die Zeiten, in denen man sich über Füllmasse größer 10% auf einer CD/ Vinyl ärgern mußte sind vorbei. Entweder das gesamte Album funktioniert, oder nur ein paar Songs. 9,90 € oder 0,99 €.
Und einen Schritt weiter ist bereits eMusic, eine Plattform, auf der vornehmlich Independence Labels Ihre Werke DRM-frei (!!!) vertreiben. DRM ist der nächste Stolperstein, den sich die Musikindustrie eigenhändig gesetzt hat. Rootkits auf der CD? Musikstück nicht mehr abspielbar, weil ein Systemwechsel vollzogen wurde? Für Misstrauen und Ablehnung sind diese Maßnahmen bestens geeignet. Oh, hab' ich schon das Thema Arroganz erwähnt?
Und nicht mehr nur der Musikkonsument ist auf die Verlage der Musikindustrie angewiesen. Auch der Künstler hat selbige nicht mehr wirklich nötig. Auf Jamendo veröffentlichen Künstler ihre Werke unter der Creative Commons Lizenz zum freien Download, BeSonic und mp3.de bilden eine Mischung aus kommerzieller und kostenloser Download-Plattform und die Künstler agieren völlig ohne Zwischenschaltung einer Plattenfirma.
Der Superstar ist wahrscheinlich Vergangenheit, der Massenmarkt für Musik nur noch über standardisierte Produkte erreichbar. Aber ich sehe ein sehr breites und feines Spektrum an Musik auf den Musikliebhaber. Als Mittler ist die klassische Musikindustrie überflüssig.
Mit jedem Quartalsbericht dokumentiert die Musikindustrie ihre eigene Unfähigkeit der Anpassung an Marktgegebenheit. Aber Schuld sind immer die anderen.
Freitag, 23. März 2007
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